Der Adler ist die Kunst – 100 Jahre VDP – Jubiläumswochenende in Berliner Galerien

Anlässlich seines 100. Geburtstags verzichtete der VDP – also der Verband der Prädikatsweingüter in diesem Jahr auf seine sonst  jährlich im Daimler Atrium durchgeführte Veranstaltung GutsWein und präsentierte stattdessen 1000 Weine von 192 seiner 196 Mitgliedsbetrieben  in 57 über ganz Berlin verteilte Galerien und anderen Orten, die üblicherweise der Kunst vorbehalten sind. Eine Idee, die mich auch ganz persönlich ansprach, da ich mit der Welt der Spitzenweine erstmals richtig in Kontakt kam, als ich während des Studiums gelegentlich in einer Bonner Weinhandlung namens WeinKunst jobbte, deren Ladenfläche zu einem Drittel regelmäßig für wechselnde Kunstausstellungen genutzt wird.

Das Bild oben zeigt übrigens Nahe-Winzer und VDP-Vizepräsident Armin Diel vom Schlossgut Diel im „me Collectors Room“ vor dem Bild „Sisters No. 2“ von Li Ji, China, aus dem Jahr 2005, Öl auf Leinwand, 160 x 190 cm. Den Standort seines Standes hatte er sich übrigens nicht selbst ausgesucht, es war der einzig freigebliebene Tisch als er in das Ausstellungsgebäude kam. Wirklich unglücklich schien er damit allerdings auch nicht zu sein. Mit am Diel-Stand war übrigens Künstler Johannes Helle, der jedes Jahr die Stahltanks im Keller des Schlossgutes mit neuen Kunstwerken verziert.

Wer nun dachte, bei einer solchen Großveranstaltung würden die VDP-Mitglieder nur ihren Gutswein und ein paar weitere einfache Qualitäten zeigen, sah sich getäuscht. Nahezu alle hatten ihre Großen Gewächse am Stand und bei vielen Weingütern gab es dazu tolle Raritäten wie Versteigerungsweine, Edelsüßes oder gereifte Spitzenweine.

Philipp Wittmann präsentierte unter anderem den Riesling Alte Reben „La Borne“, aus einer kleinen Parzelle im oberen Bereich seiner Top-Lage Westhofener Morstein, insgesamt nur 800 Flaschen, davon gehen 240 in die VDP-Versteigerung am 26.09. in Bad Kreuznach, der Rest wandert für längere Zeit in den Weingutskeller. Ein extrem mineralisches Monument, besser geht trockener Riesling nicht mehr, nur noch anders.

Wer diesen Blog schon etwas länger kennt, wird mein besonderes Faible für reife Riesling Spätlesen und Auslesen bemerkt haben. Wer das bisher nicht teilte oder keine Erfahrungen damit hatte, konnte am Sonntag in der Galerie Thomas Schulte (Charlottenstraße 24) einen der besten je produzierten Weine dieser Art probieren: Egon Müller präsentierte eine Scharzhofberger Spätlese 1990 sowie zum Vergleich das aktuelle Exemplar von 2009 sowie die 2009er Le Gallais Spätlese aus der Wiltinger Braune Kupp. Im Rahmen des VDP-Jubiläumsjahres wird es übrigens am 23. September in Trier die extrem seltene Gelegenheit geben, eine rund 50 gereifte Spitzenrieslinge zu verkosten.

Hier war dann auch gut sehen, wie es sich auswirkte, dass die Veranstaltung über die ganze Stadt verteilt war. Trotz dessen, dass mit Egon Müller-Scharzhof und Koehler-Ruprecht zwei der besten deutschen Weingüter in dieser nur wenig abseits des Veranstaltungszentrums gelegenen Galerie vertretenen waren (daneben auch noch Johann Arnold und Dr. Nägler) war ich gut eine Stunde nach der Eröffnung der nur sechs Stunden andauernden Veranstaltung der erste Besucher. In anderen Galerien, z.B. in der Augustraße, wo auch die Abschlussveranstaltung stattfand, war von der ersten bis zur letzten Minute ein solcher Andrang, dass bei besonders gefragten Weingütern wie den Schlossgütern Lieser und Diel gegen Ende sogar die Weine knapp wurden. Insgesamt hatte die Veranstaltung ca. 3000 Besucher.

Eine für viele Besucher besondere Attraktion gab es in der Galerie upstairs Berlin (Zimmerstraße 90) zu erleben: Ich war gerade dabei mich mit Andreas Barth, dem aus der Nähe meines Heimatortes stammenden Kellermeister und Gutsverwalter des Weinguts Von Othegraven über die neu gestalteten Etiketten des Weinguts und die tolle Kollektion zu unterhalten, als Günther Jauch, der neue Eigentümer des Weinguts mit seiner Frau dazu kam und (wie ich hörte) auch lange an seinem Stand blieb und mithalf. Hier ein Foto, dass von Christian G.E. Schiller, einem aus den USA über Wein bloggenden Deutschen aufgenommen wurde (der Mann links ist Andreas Barth). Im selben Gebäude gab es übrigens auch die Weine von Künstler, Dönnhoff und drei weiteren Gütern zu verkosten.

In Zusammenarbeit mit der GENUSS GmbH der Kölner Sommelière und Autorin Christina Fischer sowie der seit langem im Weinbusiness tätigen gelernten Lebensmittelchemikerin Helena Mariscal Vilar ist das Projekt WEINPARCOURS® entstanden, das am Wochenende in Berlin in der Variante VDP-Weinparcours Teil des VDP-Veranstaltungsprogramm war. Für Anfänger sehr lehrreich und für Fortgeschrittene ein wunderbares Trainingsgelände um mal wieder die eigenen Sinne zu schärfen.

An zehn Stationen wurde erklärt und war zu probieren (insgesamt 42 Weine):

  1. die deutschen Weinbauregionen,
  2. Rebsorten und ihre typischen Aromen,
  3. die Schritte des Winzers bei der Weinherstellung
  4. die VDP-Klassifikation (Gutswein, Ortswein, Großes Gewächs)
  5. das Terroir (hier Weine von neun unterschiedlichen Böden)
  6. die Handschrift des Winzers (eine Lage – 3 Winzer, 1 Boden – 2 Regionen – 2 Winzer, 3 Terroirs – 1 Winzer)
  7. Wasser und Wein (drei Weine zu mehreren Wassersorten)
  8. schmeckbare Unterschiede (1 Rot- & 1 Weißwein aus fünf verschiedenen Glasformen)
  9. Jung & Gereift (der gleiche Riesling & Pinot aus je drei Jahrgängen)
  10. Süße & Säure klassischer Weine (Kabinett, Spätlese, Auslese, Beerenauslese, Eiswein) und zum Vergleich ein Glas Wasser, in dem die gleiche Menge Zucker gelöst war, wie im Eiswein, um zu verstehen, wie wichtig die Säure im Wein für die Balance des Weines ist.

Das Wein-Highlight des VDP-Weinparcours an Station Nummer neun: Die Spitzenweingüter Knipser (Pfalz) und Huber (Baden) zeigten mit ihren besten Weinen die Alterungsfähigkeit von Riesling und Spätburgunder.

Knipser Riesling Mandelberg Steinbuckel 2009, 2001 & 1997 (damals als Auslese trocken heute als GG)
Der 1997er hat schon leichte Alterserscheinungen, trinkt sich aber noch mit großem Genuss und der 2001er befindet gerade auf seinem Höhepunkt. Ein Klassewein!

Bernhard Huber Spätburgunder Wildenstein R 2007 und 2004 sowie Spätburgunder R 2000.
Nur mal als Anhaltspunkt: allein der aktuelle Jahrgang 2007 des Spätburgunder R Wildenstein kostet rund 70 Euro und wird im aktuellen GaultMillau WeinGuide Deutschland 2010 mit 95 Punkten auf Platz 2 aller deutschen Spätburgunder geführt (der 2004er kam damals mit 93 Punkten auf Platz 5).

Einen Kurzkurs zum Thema Reifeverhalten zartfruchtiger Rieslinge konnte man auch bei Katharina Prüm vom Moselweingut Joh. Jos. Prüm in der Galerie Buchmann (Charlottenstraße 13) belegen. Sie zeigte Wehlener Sonnenuhr Kabinettweine aus 2008 und 2004, Graacher Himmelreich Spätlesen 2008 und 2004 sowie die für den extremen Jahrgang erstaunlich filigrane und noch immer extrem Jugendlich wirkende 2003er Wehlener Sonnenuhr Auslese.

Zum Abschluss der Veranstaltung in den Galerien gab es noch eine hochkarätig besetzte Podiumsdiskussion über Unterschiede beim Sammeln von Wein und Kunst im me Collectors Room der Sammlung Olbricht. Die Gesprächsteilnehmer von links nach rechts: Thomas Olbricht (Gastgeber und Kunstsammler), Hugh Johnson (Weinautor), Jancis Robinson (Weinautorin), Daniel Schreiber (Cicero Autor und Moderator der Runde), Martin Campion (Weinsammler) und David Wainwright (Christie’s). Daniel Schreiber hat bei Cicero Online auch schon einen kleinen Beitrag zum Thema verfasst. Nachdem Jancis Robinson, die unter anderem die britische Queen Elizabeth bei der Zusammenstellung des königlichen Weinvorrats berät, ausgiebig zum Weinkeller des Königshauses befragt wurde, ging es zum eigentlichen Thema. Fazit: Zum Aufbau einer bedeutenden Kunstsammlung ist ein entsprechender finanzieller Background erforderlich, eine Sammlung toller Weine kann man mit genug Sachverstand auch mit kleinem Geldbeutel aufbauen, wenn man nicht gerade vorhat nur Weine zu kaufen, die von Robert Parker mit 95 Punkten und mehr bewerteten wurde. Zudem ist man sich einig, dass vermögende Weinsammler ihre Spitzenweine gerne auch immer wieder mal mit gemeinsam mit Weinfreunden verkosten, denen sie den nötigen Sachverstand zutrauen, die sich aber selbst keinen Petrus oder andere Luxusweine leisten können, sie also auch nicht erwarten, dass der Weinfreund dann beim nächsten Treffen einen solchen ausgibt.

Am Abend nach den Galerien fanden in diversen Lokalen Weindinners oder Küchenpartys statt. Da am nächsten Tag die offizielle Premiere der ca. 360 Großen Gewächse in der Landesvertretung Baden-Württemberg anstand, war mir eher nach einem erholsameren Abend. So entschied ich mich nach dem Abendessen nur einen kurzen Abstecher in die  Weinschenke Weinstein auf dem Prenzlauer Berg (Lychener Str. 33) zu machen, die mir wegen seiner tollen Weinkarte mit vielen reifen und dennoch bezahlbaren Weinen schon mehrfach von Freunden empfohlen wurde.

Was ich nicht wusste: Dort war gerade ein Festmenü anlässlich den dreißig jährigen Betriebsjubiläums des Weinguts Heymann-Löwenstein zu Ende gegangen und nachdem Reinhard Löwenstein mich erkannte, hatte ich schneller ein Glas der genialen 95er Winninger Uhlen Riesling Auslese in der Hand, als ich gucken konnte. Von den allermeisten Weinen war noch genügend da um nachzuverkosten:

Rieslingsekt Brut Fantasie der Schieferterrassen (2010 degorgiert),
1988 Uhlen R, 1989 Uhlen R, 1989 Uhlen R Beerenauslese trocken! (16,5 % Vol.),
1990 Röttgen,
Schieferterrassen 2002 und 2004,
Stolzenberg 20
00, 2004 und 2008,
Uhlen (im Zweifel R) 1996, 2000, 2008
1995 Uhlen Auslese.

Der einzige enttäuschende Wein meiner Nachverkostung war der 1989 Uhlen R. Alle anderen waren gut mindestens gut erhalten wenn nicht sogar erstaunlich gut (z.B. der Stolzenberg aus dem schlechten Jahrgang war hervorragend). Am besten hat mir aber erwartungsgemäß die 1995er Uhlen Auslese gefallen. Ein großartiger Wein von dem ich selbst mal drei Flaschen besaß, die aber leider mittlerweile alle getrunken sind.

Bei der Premiere der Großen Gewächse in der Baden-Württembergischen Landesvertretung am nächsten Tag (ein Artikel mit meinen Verkostungshighlights folgt) hatte kleiner Mann aus England seinen großen Auftritt. Es fing langsam an: Als ich gerade noch einmal die zum Teil großartig gelungenen Großen Gewächse des Schlossguts Diel nachverkosten wollte (ich hatte sie in der Vorwoche schon einmal bei der Präsentation des Weinguts auf Johann Lafers Stromburg), kam Hugh Johnson mit Kamerateam vorbei.

Wenige Minuten später stand der „Officer of the Order of the British Empire“ und Weinautor mit den mit weltweit mit Abstand meinstverkauften Büchern auf einem Stuhl in der Saalmitte neben VDP-Präsident Steffen Christmann und Hilke Nagel. Seine Rede begann er mit dem Satz: „The word chairman gets a completely new meaning!“

Hugh Johnson hielt dann eine große Lobrede auf gute deutsche Rieslinge, die er seit dem Jahrgang 1971 in allen guten Jahrgängen kaufe und gerne trinke, um sich anschließend erneut gegen den Bau des geplanten Hochmosel-Übergangs bei Ürzig auszusprechen (er hatte sich vor einigen Monaten schon einmal, damals recht scharf, zum Thema zu Wort gemeldet und war dann auch vor Ort). Eine Zusammenfassung seiner Rede war drei Tage vorher schon als Beitrag Johnsons im Berliner Tagesspiegel erschienen und kann dort nachgelesen werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.