Ein Tag im Zeichen gereifter Rieslinge

Der vergangene Samstag stand bei mir komplett im Zeichen des Rieslings. Gemeinsam mit drei Weinfreunden (Verena Di Pauli, Michael Gmall und dem Direttore – Philipp Erik Breitenfeld) ging es zuerst zum Mittagessen in Josef Laufers Hotel Zum Krug nach Hattenheim. Das 1720 erbaute Hotel ist nicht nur ein optischer Leckerbissen von außen und innen, hier wird auch gut gekocht und vor allem gibt es im Krug eine großartige Weinkarte mit Rheingauer Weinen bis in die Anfänge des letzten Jahrhunderts hinein.

Wir begannen mit der Edition „1467“ Riesling Feinherb 2007 vom Eltviller Weingut Koegler, einem herrlich erfrischenden Riesling mit nur ganz dezenter Restsüße. Das Weingut Koegler, das seit Jahren eine gute Qualität abliefert, ist in den letzten Jahren vor allem mit einem Experiment in den Schlagzeilen gewesen: Als erstes Weingut im Rheingau baut Koegler seit wenigen Jahren die aus Österreich bekannte, im Vergleich zu Riesling etwas säureärmere und dadurch für viele Menschen bekömmlichere Rebsorte Grüner Veltliner an.

Es folgte ein 18 Jahre alter Riesling Kabinett, der im Krug auch glasweise ausgeschenkt wird. Der Riesling Kabinett 1992 aus der Toplage Rauenthaler Baiken von den Staatsweingütern Kloster Eberbach mit seiner leichten Firne, kräftigen Karamellnoten, ein wenig verbliebener Restüße und auch noch der nötigen Säure  wirkte überhaupt nicht zu alt. Einen solch wunderbar gereiften Wein offen auf die Karte zu setzen trauen sich leider viel zu wenige Restaurants. In zu vielen Restaurants gibt es ja heute nicht einmal mehr flaschenweise einen Weißwein, der älter als fünf Jahre ist.

Zum Hauptgang wurde noch etwas tiefer in die Schatzkammer gegriffen und eine 1993er Riesling Auslese Trocken aus dem Wallufer Walkenberg vom Rheingauer Spitzenweingut J.B. Becker hervorgezaubert. Der Wein machte in den rund 60-70 Minuten, in denen wir ihn immer wieder probierten eine riesengroße Entwicklung durch. In den ersten Minuten etwas unangenehm staubig mit kräftiger Firne wirkend, veränderte sich der Geschmack erst für einige Minuten in Richtung Karamell um sich dann sehr intensiv in etwas Petroleum-, Diesel- oder Altölartiges zu verwandeln. Erst einmal zur Seite gestellt war der unangenehme Treibstoff-Ton aber schon eine Viertelstunde später wieder komplett verschwunden. Nur ein Hauch Firne blieb. Ein spannender Wein, uns aber zu (knochen-)trocken und mit 14,5 Vol. auch etwas zu alkoholisch. Hochkonzentriert und ein gutes Beispiel dafür, dass es für einen Wein, der lange reifen können soll, besser gewesen wäre, auf etwas Alkohol zu verzichten und dafür etwas Restzucker übrig zu lassen (den man nach einigen Jahren sowieso nicht mehr als süß wahrnehmen würde). Der Wein wäre heute also trotzdem sensorisch trocken aber deutlich harmonischer.


Nach dem Essen ging es in die nur hundert Meter entfernt liegende Winebank im oder besser unter dem Weingut Balthasar Ress. Einige mitgebrachte Schätze sollten hier eingelagert werden.

Kaum unten angekommen, stand auch schon Champagner auf dem Tisch. Der günstige und unkomplizierte Champagne Louis Casters Cuvee Superieure sorgte für gute Laune beim Einräumen und ein schon recht reif wirkender 1996er Riesling Eiswein aus dem Harxheimer Schloßberg vom Weingut Steigerhof versüßte den Abschied nach getaner Arbeit.

Mit ein paar Flaschen reifen Rieslings von St. Antony aus dem Niersteiner Pettenthal ging es anschließend ab über den Rhein in die Ursprungslage der Weine nach Nierstein.

Nach einer kleinen Wanderung durch den berühmten Niersteiner Roten Hang, der hier die Front zum Rhein hin bildet, hat mir Michael Gmall mal kurz die Welt erklärt oder zumindest den rheinhessischen Teil davon (ist halt seine Heimat).

Kommentar von „WeinSpion“ Uli Kutting zu diesem Bild: „Eines Tages, mein Junge, wird das alles Dir gehören!“

Oben im Roten Hang angekommen (recht genau an der Grenze zwischen Ölberg, Kranzberg und Hipping und nur wenige hundert Meter vom Pettenthal entfernt) gab’s dann die mitgebrachten St. Antony Niersteiner Pettenthal Riesling Trocken 2001 (leider schon ziemlich am schwächeln, evtl. aber auch ein Flaschenfehler) und den großartigen St. Antony Niersteiner Pettenthal Riesling Halbtrocken 1993 dem wir zwischen dem epibrieren in der Fockenberghütte mit dem wunderschönen Bild ganz oben am Beginn dieses Artikels ein kleines Denkmal gesetzt haben.

Nächste Station war Oppenheim, wo uns Michael Gmall eine kleine Stadtführung gab. Ein besonderes Augenmerk richteten wir dabei auf die evangelische Katharinenkirche, die als eine der bedeutendsten gotischen Kirchen in Deutschland gilt. Oppenheim hatte übrigens einst ein eigenes Längenmaß: Die Oppenheimer Elle. Eine Installation am Marktplatz erinnert noch heute daran.

Vor dem Abschied aus Oppenheim ging es noch auf einen Wilhelmshof Rieslingsekt extra Brut 2007 ins Restaurant Völker im Geburtshaus von Paul Wallot (Erbauer des Berliner Reichstages), an dessen Neugestaltung Michal Gmall mit seinem Raumveredler-Unternehmen mitgewirkt hat. Dieses Lokal ist sehenswert: Nicht allein weil MGmall daran mitgewirkt hat, sondern weil es unterirdisch 500-600 Jahre alte Gewölbe, einen in Deutschland einzigartigen unterirdischen Kathedralenraum und drei eigene Brunnen zu bestaunen gibt.

Letzte Adresse des Tages war die Königsmühle von Dirk und Gabi Würtz in Gau-Odernheim, wo am Abend die zweite Internet-Liveshow der 100-Grad-Oechsle-Reihe stattfand. Gäste waren unter anderem Winzer und VDP Rheinhessen Vorsitzender Philipp Wittmann sowie die Sommeliers Hendrik Thoma und Marco Giovanni Zanetti.

Live in der Sendung wurde ein von der Qualitätsprüfung des Rheingauer Weinbauverbands abgelehntes erstes Gewächs aus dem Jahr 2001 des Hattenheimer Weinguts Balthasar Ress aus der Lage Hattenheimer Nussbrunnen verkostet. Warum der Wein damals abgelehnt wurde ist leider unbekannt. Heute schmeckt er auf jeden Fall sehr gut.

Schon vor der Sendung gab es die Gelegenheit mit Moselwinzer K.-J. Thul seinen wohl besten Wein, die Thörnicher Ritsch Riesling Spätlese Alte Reben 2007 zu verkosten und durch die Sendung begleiteten mich der erstaunlich leckere Würtz/Weinmann Riesling Nr. 2 Trocken 2003 (so wenig Säure, dass er vom bekanntesten aller staatlich geprüften Weinfachberater für einen leckeren südafrikanischen Sauvignon-Blanc gehalten wurde und auch sonst niemand auf die Idee kam, es könnte ein Riesling aus Rheinhessen sein) und der immer noch sehr junge Würtz/Weinmann Riesling Trocken Nr. 1 „Geyerscheiss“ 2007.

Nach Mitternacht gab es dann noch einen in traditioneller Flaschengärung mit 10 Jahre Hefelager gereiften 1990er Winzersekt Brut der Geisenheimer Sektkellerei Bardong aus der Magnumflasche (erst vor wenigen Jahren degorgiert) und ein paar restsüße Moselrieslinge aus meinem Keller. Hier zeigte sich die wahre Klasse von Hendrik Thoma: Hatte er in der Livesendung bei der Blindverkostung eines südafrikanischen Rotweins (Allesverloren Tinta Barocca) mit seinem Tipp (deutscher Spätburgunder) noch deutlich daneben gelegen, erkannte er 1994er Joh. Jos. Prüm Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese fast auf den Punkt (sein erster Tipp war die 1994er Spätlese-Variante dieses Weines, der zweite Tipp ein Volltreffer). Auch bei den beiden 2003er Schloss Lieser Niederberg Helden Riesling Auslesen war seine Leistung beeindruckend. Weingut und Jahr sehr schnell erkannt, nur die Auslese*** Goldkapsel hat er für eine Beerenauslese gehalten. Das ist dann wohl echte Weltklasse!

Die „kleine“ Weinliste eines großen Tages:

Koegler Edition „1467“ Riesling Feinherb 2007

Staatsweingüter Kloster Eberbach Rauenthaler Baiken Riesling Kabinett 1992

J.B. Becker Wallufer Walkenberg Riesling Auslese Trocken 1993

Champagne Louis Casters Cuvee Superieure

Steigerhof Harxheimer Schloßberg Riesling Eiswein 1996

St. Antony Niersteiner Pettenthal Riesling Trocken 2001

St. Antony Niersteiner Pettenthal Riesling Halbtrocken 1993

Wilhelmshof Rieslingsekt extra Brut 2007

K.-J. Thul Thörnicher Ritsch Riesling Spätlese Alte Reben 2007

Würtz/Weinmann Riesling Nr. 2 Trocken 2003

Würtz/Weinmann Riesling Nr. 1 Trocken Geyerscheiss 2007

Balthasar Ress Hattenheimer Nussbrunnen Riesling trocken Goldkapsel 2001

Sektkellerei Bardong Brut traditionelle Flaschengärung Magnum 1990

Schloss Lieser Niederberg Helden Riesling Spätlese 2004

Schloss Lieser Niederberg Helden Riesling Auslese 2003

Schloss Lieser Niederberg Helden Riesling Auslese*** Goldkapsel 2003

Joh. Jos. Prüm Wehlener Sonnenuhr Riesling Auslese 1994

Und nein! Das haben wir nicht alles nur zu viert getrunken. Uns sind unterwegs viele sympathische Menschen begegnet: vom Winzerlehrling bei Schloss Reinhartshausen, der mit uns in der Winebank war, bis zum eben genannten Master Sommelier Hendrik Thoma in der Königsmühle.

Das Tagesfazit des Direttore unter La Gazzetta del Vino
Andere über den Abend und die Show in der Königsmühle:

Der Weinspion

K & M Gutsweine

Schmecktologie

Vinum diligo

silly little website

Der Ultes

5 Kommentare

3 Pings

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  1. Ein toller Bericht und wunderschöne Fotos!

  2. Beneidenswert 🙂 Bilder samt Kommentare sind klasse

  3. hey, coole bilder! da kann man ja echt neidisch werden 😉

    • Uwe Bende auf 19. März 2010 bei 00:55
    • Antworten

    Schöne Beschreibung eines weinreichen Tages!!

  4. Wunderschöner Bericht macht immer viel Durst und Spaß deine Zeilen zuverfolgen

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