Gastbeitrag: Sprechstunde beim Doctor

VON MARC HEROLD

Unter den Weinbergen die jeder Rieslingfreund kennt, deren Weine aber nur wenige je getrunken haben, nimmt der Bernkasteler Doctor eine Spitzenposition ein. Der Scharzhofberg ist vergleichsweise groß und es gibt eine Hand voll respektabler Erzeuger. Der sehr überschaubare Erdender Prälat ist auch gut verfügbar. Aber der Doctor? Zum einen ist die Lage mit nur etwas über drei Hektar winzig. Zum andern kommt noch, dass sich der Doctor praktisch von selbst verkauft. Die Anstrengungen bei den Weingütern, die dort Besitz haben, war nun eben nicht besonders groß. Abgesehen von der ein der ein oder andern Versteigerungsabfüllung des Weinguts Wegeler war mir bislang nichts spektakuläres aus diesem Winkel steil über Bernkastel begegnet.

Das änderte sich schlagartig, als ich vor gut zwei Jahren bei der Vorstellung des Ruwer-Projektweins „156“ in Trier Maximilian Ferger traf. Spät abends und einige gelehrte Flaschen Riesling später erfuhr ich, dass Max seit kurzem der neue Betriebsleiter des Weinguts „Witwe Dr. H. Thanisch Erben Müller-Burggraef“ ist. Das ehemalige Weingut „Witwe Dr. H. Thanisch“ wurde im Zuge einer Erbteilung 1988 in zwei Güter aufgeteilt, soviel wusste ich noch. Doch hatte ich schon etwas von denen getrunken und wenn ja, von welchem der Güter? Diese kleinkrämerischen Fragen verstummten, als Max schnell entschlossen zwei Gläser füllte. Alle die damals mittranken, erinnern sich noch immer an die Irritation und Faszination, die der Wein auslöste. Er wirkte zuerst fast karg und schlank gab in der Nase zuerst nicht viel preis. Mit der Zeit konnten wir aber geschmacklich wie es schien zu immer tieferliegenden Schieferschichten vordringen. Mit Luft blühte der Wein auf, Blüten und Steinobst stiegen aus dem Glas. Der Wein wirkte gleichzeitig karg und opulent, schiefrig, aber nicht streng. Wir waren damals sehr beeindruckt und schauten uns fragend an. Was könnte das sein? Mit einer kurzen Ansage „Doctor Spätlese 2009“ und, nach einer kleinen Pause „trocken“ lüftete Max das Geheimnis. Der Doctor hatte mich am Haken.

Letzte Woche hatte ich nun Gelegenheit, bei Max die komplette 2011er Kollektion des Weinguts „Thanisch Erben Müller-Burggraef“ im direkt in den Bernkasteler Graben getrieben Doktorkeller zu probieren. Das Gut besitzt neben einem Hektar im Doctor auch Anteile des Bernkasteler Grabens, der Lay und anderen erstklassigen Mosellagen wie der Wehlener Sonnenuhr und der Brauneberger Juffer-Sonnenuhr. Ja selbst im Lieserer Niederberg Helden gibt es Besitzungen. Hier stehen auch die wenigen Spätburgunder-Reben, die den einzigen Rotwein des Guts ergeben. Besonders gespannt war ich nach meiner Doctor-Initiation auf die trockenen Riesling Spätlesen, die hier als Fassproben kurz vor der Abfüllung standen. Den Anfang machte die geheimnisvoll rauchige Graacher Himmelreich Spätlese trocken. Der Wein verbindet wie alle trockenen Spätlesen des Guts aromatische Opulenz mit absoluter Klarheit und Transparenz der einzelnen Bausteine. Würde dem Wein eine Farbe zugeordnet, wäre es ein leuchtendes Rotbraun. Der Wein hat seine endgültige Struktur zwar noch nicht ganz gefunden, es tut sich noch ein kleiner Hänger nach der ersten Geschmackswelle auf, aber sonst kündigt sich hier ein sehr guter, nachhaltiger Wein an.

Im starken Kontrast dazu zeigt sich die trockene Spätlese aus der Wehlener Sonnenuhr viel schiefriger; das blaue Gestein springt dem Trinkenden direkt aus dem Glas entgegen. Kühle und Opulenz sind hier spannungsreich verbunden. Den Höhepunkt der trockenen 11er hatten wir dann mit dem Doctor im Glas. Noch stärker als beim Vorvorgänger aus 2009 hatte ich hier den Eindruck die Ausnahmestellung dieser Lage begreifen zu können. Dieser Doctor ist kein trockener Akademiker sondern so prunkend und magisch wie man sich eine Vorstellung von Mesmer oder des Grafen von Saint Germain vorstellen würde. Goldgelb und dunkel glänzend steht das Elixier im Glas. Auch hier Kraft, viele Facetten vereint mit einer aristokratischen Klarheit und Unaufgeregtheit. Dieser Stil wird auf dem Gut unter anderem durch den biologischen Säureabbau abgerundet. Die Weine glänzen alle durch Ausgewogenheit, sie wirken, wie Gewächse von Fritz Haag oder Schloss Lieser aber eben ohne Süße und dennoch fruchtbetont.

Bei den restsüßen Spätlesen haben mich besonders die Graben Spätlese in ihrer enorm schiefrigen Konzentration und wieder die Spätlese aus dem Doctor beeindruckt. Mir ist in 2011 keine Spätlese mit einer derartig intensiven und vielschichtigen Aromatik begegnet. Die Legende des Doctors ist in der Gegenwart angekommen.

2 Kommentare

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  1. Danke Marc! Von mir als Zugabe noch der Link zu einem Sonderdruck (pdf) der Zeitschrift FINE mit allen Notizen einer Raritätenverkostung von 50 Jahrgängen zwischen 1921 und 2009 aus dem Bernkasteler Doktor:

    http://www.wegeler.com/fileadmin/user_upload/Scans/Scans_Presse_Zeitschriften/Sonderdruck_FINE_Doctor.pdf

  2. Sehr schoener Beitrag. Ich war gerade vor etwa einer Woche am Doctor und habe mir ueberlegt, darueber etwas zu schreiben. Hier schon mal einer erster Eindruck – rund um ein Glass Federweisser in Bernkastel Kues http://schiller-wine.blogspot.de/2012/10/new-wine-federweisser-in-bernkastel.html auf schiller-wine

  1. […] findet ihr auf der Webseite des Projekt 156. Hier im Weinkaiser-Blog hatte ich auch schon einmal die Weine beschrieben, die einer der am Projekt beteiligten Freunde in seinem Job als Betriebsleiter im Weingut Dr. H. […]

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