Netter als nett. Sonett.

Schloss Reinhartshausen Erbacher Siegelsberg Riesling Auslese 1983

Beitrag zur Weinrallye 69 – Wein und Lyrik. Von Marc Herold.

Die überraschendsten Werke entstehen oft aus den fragwürdigsten Gründen. Die Coen Brüder haben „O Brother where art thou?“ gedreht, weil sie George Clooney in Ketten sehen wollten und ich habe extra das Thema dieser Weinrallye vorgeschlagen, weil ich vor Wochen im Scherz gesagt habe, ich würde gerne eine Weinbeschreibung in Sonettform abliefern.

Warum die Sonettform? Und warum überhaupt eine Form, die von der klassischen Beschreibungsdreikampf-Form aus Aussehen, Geruch und Geschmack abweicht? Vielleicht weil ich immer die eher assoziativen Beschreibungen von Stuart Pigott mochte und weil ich dessen Vergleiche immer überraschend unkonventionell und fast immer treffend fand. Dass mir Pigotts Buch von den „Deutschen Rieslingen und ihren Winzern“ durch seine Notizen zuerst viel Geld gespart hat, weil ich wusste, was ich alles nicht kaufen muss, mich dann aber auch zu einem guten Kunden bei unzähligen Altweinhütern machte, kommt noch dazu.

Auf eine Auslese, die angeblich wie „Ein durchtrainierter Athlet mit festen Muskeln und grazilen Bewegungen am Anfang eines Langlaufs“ wurde ich neugierig. Hätte die Beschreibung einfach nur „Straff, gute Säure, braucht Zeit“ gelautet, hätte ich vielleicht nie mit gereiften Rieslingen angefangen. Denn, Hand auf’s Herz, bringt es uns eigentlich weiter, rein analytisch zu wissen, wie ein Wein schmeckt? Ist es das, was uns dazu bringt, die Weinhändler unseres Vertrauens mit den Geldmitteln für das Zweitgolfset auszustatten? Mal unter uns Rallyefahrern: Ich glaube wir sind alle auf der Suche nach dem Geheimnis, der Magie im Wein. Der Wein soll singen und nicht referieren. (Das machen wir meistens selber)

Was liegt da näher als andere, vielschichtigere Textformen für die Beschreibung von Wein zu erproben? Und sei es nur als einmaliger „Versuch über ein Thema“. Die Entscheidung die Sonettform zu probieren wurzelt einerseits in einem durch Robert Gernhardt und Arno Schmidt gedüngten Unterbewusstseinssumpf und zum anderen in der Erinnerung, dass beim Sonett gerne zwei sonst gegensätzliche Dinge miteinander verbunden und zum Ausgleich gebracht werden. Also ran ans Werk, es fehlt nur noch ein passender Wein. Welcher Wein könnte Gegensätze in sich vereinen? Riesling? Restsüßer Riesling? Der Kontrast aus Säure und Süße? Bingo. Da das Sonett eine recht alte Versform ist, am besten auch alter Riesling. So fiel meine Wahl auf eine 1983er Erbacher Siegelsberg Riesling Auslese vom Schloss Reinhartshausen, einer wirklich klassischen Rheingauer Auslese mit genug Poetik-Potential.

Logo zur Weinrallye 69 - Wein und Lyrik

Und hier kommt schon das Verkostungssonett:

Lang liegt die Flasche schon im Keller
Ruhend, des Siegels Schriftzug nur noch Staub
Dem Tag entgegen wartend, wenn gefüllt die Teller
Mit Wild und Beeren auf dem welken Laub

Nachhaus‘ gekommen, die Finger von der Kälte taub
Entströmt dem goldnen Saft im Glas am Rande heller
Ein Duft wie von der Bienen Nektarraub
Das Glas, es kreist nun immer schneller

Die Zunge kommt nun näher ihrem Recht
Die Süße und die saure Frische flechten
Ein Netz aus Gegensätzen rein ohne Frag‘.

Und siehe, sei die äuß‘re Hülle noch so schlecht,
Tief in dem Bauch der Flaschen fechten
Aromen miteinander wie am ersten Tag.

2 Kommentare

2 Pings

  1. so habe fertig
    leider reimt es sich nicht ;o))

    http://hundertachtziggrad.blogspot.de/2013/11/weinrallye-69-wein-und-lyrik.html

  2. Reimen wird überbewertet. Mir gefällt Dein Beitrag Susa. Wir sammeln die Links übrigens nicht unter Marcs Beitrag hier sondern in diesem Parallelposting: http://www.weinkaiser.de/weinrallye-69-wein-und-lyrik-updates/

  1. […] Netter als nett. Sonett. […]

  2. […] Für mich als notorisch faulem Gelegenheits-Gastschreiber ist die Weinrallye jeden Monat der Stachel im Fleisch, das Pieken im Gewissen, der Funken (naja hier eher der Bunsenbrenner) der Inspiration, der mich dann doch erst in den Keller und danach an die Tastatur treibt. Am inprovisiertesten war es wohl, als ich aus einem Hotelzimmer in der Ostschweiz über „Schweizer Wein“ geschrieben habe. (Link) Am kniffligsten aber gleichzeitig am schönsten war für mich die Weinbeschreibung in Sonettform. […]

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